784

Friedrich Daake (1923): Die ältesten Nachrichten von Petershagen führen uns auf keinen geringeren denn Karl den Großen zurück. Als dieser im Jahre 784 aufs neue einen Kriegszug gegen die noch immer unbezwungenen Sachsen unternahm, kam er bei seinem Marsche durch Westfalen bei dem Orte Huculvi an die Weser. Hier war eine Furt, d. h. eine seichte Stelle im Wasser, wo man bequem überfahren, durchfahren, durchreiten und auch wohl durchwaten konnte, und welche er benutzen wollte, um mit seinem Heer an das andere Ufer und dann weiter in den Bukkigau, die spätere Grafschaft Schaumburg, zu gelangen. Weil aber zu der Zeit Hochwasser und die ganze Gegend zu beiden Seiten des Stromes überschwemmt war, musste er sein Vorhaben aufgegeben; er wandte sich südwärts und ging von Thüringen aus gegen die Ostsachsen vor.

Das genannte Huculvi wird von den meisten Geschichtsforschern, namentlich auch von Pertz, für den Ursprung von Petershagen angesehen. Es war, wie der Superintendent Julius Schmidt in seinem „Catalogus der Mindischen Bischoffe“ schreibt, „weitläuffig“ gebaut und umfaßte wahrscheinlich die heutige Altstadt, welche bis zur Ösper reicht, sowie einen Teil des vor dem Altstädter Tore belegenen Höckrigen Feldes. Im Süden und Südwesten wurde die Ansiedlung (denn um eine solche handelte es sich ursprünglich wohl nur) von einem ausgedehnten Waldgebiete, dem Reichsforste Huculvihagen, von dem wir gleich noch ein mehreres hören werden, begrenzt. Im Osten stieß sie an die Weser und im Norden an die quer durch das jetzige Petershagen fließende und beim Schlosse in die Weser mündende Ösper.

Nasse Füße in Huculvi. Karl der Große versucht den Weserübergang. In: Matthias Bronisch: Usque ad Huculvi. Historisches Jahrbuch Petershagen 2010.

Nach Westen hin ging die fruchtbare Ackerflur über in die nicht unbedeutende, in der Hauptsache aus Lehm oder sandigem Lehm bestehenden Hochfläche der Allmende, deren östliche Randstücke von Alters her mit dem Sammelnamen „Auf dem Berge“ bezeichnet werden. Der westliche Teil derselben führte und führt noch jetzt den Namen „Tinnie“ oder „auf der Tinnie“, im Volksmund Tinje gesprochen. Ob das Wort Tinnie gleichbedeutend ist mit dem „Tin“, dem Gerichts- und Versammlungsorte unserer Vorfahren, will ich dahingestellt sein lassen. Etwa in der Mitte wird der „Berg“ durchbrochen von der vom Altstädter Tore herkommenden Kreuzstraße. Zwischen den beiden, mit Dorn- und anderem Gestrüpp bewachsen Böschungen und innerhalb eines Dreiecks, welches gebildet wird einerseits durch die Fortsetzung der oben genannten Kreuzstraße und andererseits durch die vom Neustädter Tore ausgehende Ringstraße mit ihrer rechtsseitigen Abzweigung zu jener, liegt ein kleiner Hügel, der Judenberg, auf dem früher die jüdischen Familien ihre Toten zur Erde bestatteten. An dieser Stelle war in alten Zeiten eine Landwehr, an welche noch jetzt die „Lamber“, eine Flurbezeichnung für die auf der Höhe linker Hand liegenden Grundstücke, erinnert.

Die Allmende war (ursprünglich) Gemeingut aller Ortseingesessenen und diente als Weide für Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen. Derjenige Teil der Allmende, wo Mittags das Milchvieh zusammengetrieben wurde, um gemolken zu werden, führt bis zum heutigen Tage den Namen Milchenstätte. Bei der im vorigen Jahrhundert stattgefundenen Gemeinheitsteilung fiel eine verhältnismäßig großes Stück der Allmende an den Staat und wurde mit dem Heisterholze vereinigt.

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