Mai 1960

In den Mai-Tagen des Jahres 1960 stellten heimische Künstler die Fläche an der Außenwand des Sitzungssaales am Amtsneubau fertig. Das Großrelief, das im Entstehen begriffen ist, ist eine Arbeit des Künstler-Ehepaares Heine-Everding. Die Keramik-Stücke, die bei der Tonindustrie Heisterholz gebrannt worden waren, wurden stückweise zusammengesetzt und durch Mauerwerksbinder an der Außenwand des Amtsneubaues angebracht. Die einzelnen hohlen Kammern in der Keramik wurden mit Beton gefüllt und dann gegen die Mauerwerksbinder gedrückt. Das Relief wird nicht vollkommen flach gehalten, sondern der nach außen gewölbten Wand des neuen Amtshauses angepasst. Es entsteht aufgrund der kräftigen farblichen Ausführung des Reliefs eine sehr belebende Wirkung trotz der stilisierten Strenge.

Auf dem Relief sieht man an der linken Seite eine Waage, das Symbol für Handel und Gewerbe; das rechte höher liegende Feld zeigt Ähren, die auf die landwirtschaftliche Struktur des Amtsbereichs Petershagen hinweisen. Das Mittelfeld sieht stilisierte Wellen vor, die ein Weserschiff tragen. Sie deuten auf den technisch bezwungenen Lauf des Weserflusses hin. Das Weserschiff blieb Fraktur, denn durch die Staustufe fahren an Petershagen keine Schiffe mehr vorüber. Angedeutete Bogenschwünge über Schiff und Wellen sollen erste Zeichen für die kommende große Weserbrücke sein. Über allem ziehen ein paar große Vögel ihre Bahn. Am rechten unteren Ende der Wellendarstellung sehen wir ein paar große Fische. Sie sollen symbolisieren, daß unsere Weser jetzt ein Paradies der Angler und Naturfreunde geworden ist.

Verschiedene Pressehinweise der Zeit geben Auskunft über den Entstehungsprozess. Das populär gewordene junge Bildhauer-Ehepaares Heine-Everding wurde hier in unserer engeren Heimat sehr schnell durch zahlreiche größere Werke für Schulen, Kirchen, Friedhofskapellen und Krankenhäuser bekannt. Das Großrelief für den Amtshausneubau in Petershagen wird in dem Atelier für Keramik in der Heisterholzer Tonindustrie ausgeführt. Eine Relieffläche von neun Metern Länge und vier Metern Höhe bedeckt in klarer motivischer Konzeption den Boden des Ateliers. Für diese Modellierung wurden etwa hundert Zentner Ton benötigt, eine für einen Laien fast unvorstellbare Menge, denn dieses Relief wird in farbiger Terrakotte ausgeführt und von der heimischen „Tonindustrie Heisterholz” gebrannt.

Das Ehepaar stammt aus Stadthagen im Kreise Schaumburg-Lippe. Als Beispiel für die vielseitigen Arbeiten im Kreise Minden seien das Mosaik am Haupteingang des Stadtkrankenhauses Minden, Sgrafittos an mehreren Schulen, wie auch auf keramischen Platten eingebrannte Malereien in Ilvese und Neuenknick, oder die Sgrafittokeramik-Kombination in der neuen Friedhofskapelle in Hartum, wo auch der Altar von Heine-Everding entworfen und in Beton verkleidet mit farbiger Keramik ausgeführt wurde, erwähnt.

Bliebe noch zu sagen, dass das junge Künstler-Ehepaar Heine-Everding bereits zweimal in Wettbewerben auf Bundesebene mit ihren Entwürfen den 1. Preis erhielt und damit die Auftragsausführung. Arbeiten in vielen Großstädten der Bundesrepublik zeugen gleichfalls von ihrem Können. Freuen wir uns in Petershagen auf das große Relief an unserem Amtshausneubau, das von heimischen Künstlern in Zusammenarbeit mit der Tonindustrie Heisterholz geschaffen wird. Und danken wir der Amtsleitung und der Amtsvertretung, die den jungen Künstlern den Auftrag für dieses große Werk zum Schmuck unserer Stadt gaben.

Wandel des Stadtbildes im Mai 1960: Während im Vordergrund die traditionsreiche Lutherlinde, die den Eingang des preußischen Amtshauses schmückte, gefällt wird, installiert das Künstlerehepaar Heine-Everding das Großrelief am Amtshaus. Rechts: Der Amtshaus-Neubau am Endes des Jahres 1959.
(UJ)