1350

Die Pest in Petershagen

Dr. Karl Großmann (Stadtchronik 1944): Genauere Nachrichten über die Opfer, welche die furchtbare Seuche der Pest in früheren Jahrhunderten in unserer engeren Heimat gefordert hat, liegen bisher in den heimatgeschichtlichen Veröffentlichungen kaum vor. Schröder erwähnt (gelegentlich) in seiner Mindener Geschichte.

Etwas ausführlichere Nachrichten bringt der frühere Superintendent Julius Schmidt von Petershagen in seiner “kurzen Chronik” der ehemaligen Bischöfe von Minden (1650). Hier lesen wir von der Pest von 1350, die so geschwinde war, dass niemand seines Lebens auch nur eine Stunde sicher war. Sie führte zur Gründung der Geißlerbanden und hat in Minden 24 Wochen gewütet. 1439 musste man sogar in Minden zu Massengräbern seine Zuflucht nehmen, da an einem Tage bis zu 30 Tote beerdigt werden mussten.

Das gleiche wird für das Jahr 1553 berichtet. Im Jahre 1580 führte das erneute Auftreten der Pest in Petershagen sogar zu einer Verlegung der bischöflichen Regierung nach Minden.

Wie uns der Bürgermeister Westermann von Petershagen in seiner “Chronolgia oder Gedenkbüchlein von Petershagen” aus dem Jahre 1610 erzählt, war damals die Pest in dem Hause von Gerd Schalk, der auf dem Gebiet der heutigen Beutelei wohnte, ausgebrochen. Sie war dann übergegangen auf das Haus von Stats Herdehorst, ohne jedoch weiteren Umfang anzunehmen und größere Opfer zu fordern.

Anders war es dagegen im letzten großen Pestjahr 1598, über das der folgende Bericht im Wortlaute gegeben werden soll: “Im Jahre 1598 ist allhier in Petershagen die Pest eingeschlichen. Obwohl es anfangs nicht gar heftig begonnen, hat sie sich doch nachher in und nach der Ernte so geschwind tags und nachts ausgebreitet, dass in dieser Zeit und im Winter über 500 Menschen aus dem Flecken und aus dem Kirchspiel fast an 300 Menschen gestorben sind, obwohl sich viele Leute außerhalb dieses Fleckens begeben hatten. Etzliche Male sind hier auf jeden Tag 16, ein- oder zweimal sogar 17 Menschen zu begraben gewesen. Und ist in dieser Zeit zu Minden, Bremen und an vielen Orten ein großes Sterben und viel Betrübnis gewesen.”

Welch großen Umfang die Sterblichkeit in jenem Jahr aufwies, zeigt uns auch das in Münster aufbewahrte Stadtbuch der Neustadt Petershagen an der großen Zahl der in jenen Unglücksjahren errichteten Testamente. Die dabei nötigen Zeugen des Stadtrats hielten sich wegen der Ansteckungsgefahr draußen auf der Straße auf, während der Kranke an der Tür des Hauses erschien.

Ein derartiges Testament lautete z.B.: “Am 23. Dezember anno 98 hat vor uns Johann Westermann, Bürgermeister, Johann Dronewulf, Johann Plagge, Jürgen Temme, Ratspersonen, und mehreren anwesenden Bürgern der Neustadt Petershagen Diedrich Barkhausen Hausfrau stehend vor ihrer Tür – da der liebe Gott die schwere Strafe der Pest in ihre Behausung hat kommen lassen und sie bereits Kinder verloren hatte – öffentlich bekannt und gesagt, dass sie ihr persönliches Eigentum ihren lieben Ehemann und Sohne, wer von diesen nach ihr übrig und am Leben bleiben würde, auftragen, bei guter Vernunft schenken und vermachen wolle. Sie bat, dies als vor Gericht geschehen zu verzeichnen und danach später zu handeln.”

In ähnlicher Weise sind eine ganze Reihe von Testamenten damals abgefasst worden. Kaum war die Pest erloschen, als eine neue Krankheit Petershagen heimsuchte. Es war der sogenannte Blutgang, auch Rote Ruhr genannt, die wieder 300 Menschen dahingerafft hat.

(Red. UJ. Abb.: Il·lustració de la pesta negra. Les Cròniques i Annals de Gilles le Muisit (1272-1352). Biblioteca Reial de Bèlgica, MS 13076-77, f. 24v. Wikimedia)