4. April 1945

Oberstudienrat Günther Drees berichtet rückblickend (1977) über das Kriegsende: „Die Alliierten rückten am 5. April zur Mittagszeit nicht nur von Eldagsen bzw. Ovenstädt in Petershagen ein, sondern auch von Meßlingen. 

Am Morgen des 5. April hörte man Schießen aus westlicher Richtung (es muss sich um den von Ihnen erwähnten Feuerwechsel in Südfelde gehandelt haben.) Bald darauf ging das Gerücht durch die Stadt, am „Stern“ (dort erfolgt z. Z. der Ausbau der Kurve der B 000) – lägen Verwundete. Also machten sich auf die Frauen und Mädchen des Roten Kreuzes Erna Iversen, Lotti Wehking, Liesel Neumann, Frieda (?) Jansen, um die Verwundeten zu bergen. Von der Polizei schloß sich Herr Baltulat (oder Lampe?) an, außerdem als Arzt Dr. Martin (Herrn Textilkaufmann Georg Langes Schwiegersohn) und ich. Herr Martin hatte gerade Urlaub, und ich war als Schwerkriegsbeschädigter bereits von der Wehrmacht entlassen. Wir suchten die Verwundeten im Waldstück bei Bochmeiers Teich, fanden aber niemanden. 

Plötzlich sahen wir einen Panzer auf der Meßlinger Straße, etwa 150 m entfernt, dahinter noch einen zweiten. Es waren wohl Panzerspähwagen. Dr. Martin und ich gingen ihnen entgegen, weil wir Englisch konnten und wurden von einem Offizier ausgefragt. Ob in Petershagen eine Fähre sei, ob noch deutsche Soldaten anwesend seien, schließlich ob wir den Panzern beim Einmarsch vorangehen wollten. So geschah es auch. Die alliierten Soldaten trugen weinrote Barette und waren angeblich Kanadier. 

Am „Stern“ wurde zunächst angehalten. Kurz darauf hörten wir Artilleriegeschosse aus Richtung Südfelde-Friedewalde über uns hinwegzischen und in Petershagen einschlagen. Diese Beschießung hielt ich für überflüssig, weil ich dem Offizier ja vorher mitgeteilt hatte, dass im Ort keine Soldaten mehr seien und damit rechnete, dass die tatsächlich dort befindlichen sich inzwischen wohl abgesetzt hätten. Ich wusste, dass sich einige am frühen Morgen Zivil besorgt hatten. Meine etwas respektlose Art, dem Offizier Vorhaltungen zu machen, ärgerte einige der gegnerischen Soldaten und Dr. Martin hörte, wie einer zum anderen sagte: ‚Kill him!‘ Zu meinem Glück pfiffen plötzlich Geschosse mit einer sehr flachen Flugbahn über uns hinweg, so daß wir befürchten mußten, von ihnen getroffen zu werden. Wir flüchteten zwischen die Bäume, und Dr. Martin warnte mich vor den beiden Soldaten. Als der Beschuß vorbei war, mischte ich mich unter die Rot-Kreuz-Helferinnen in der Hoffnung, nicht gerade aus ihrem Kreis herausgeholt zu werden. 

Mit ihnen zog ich hinter den Panzern und Soldaten nach Petershagen hinein und verbarg mich drei Tage in unserem Hause Bremer Straße 3 bis die „Kanadier“ weg waren. Es kamen dann Briten, meines Wissens ein schottisches Hochlandregiment. Ihr Wappentier war die Antilope, und eine solche graste auch an der Aufbauschultumhalle und wurde mit vorgeführt, als ‚Marshall Montgomery‘ kurz darauf das Regiment besichtigte.”

Zitiert nach: Saecker, Erhard (Hrsg.): Die Eroberung des heutigen Stadtgebietes von Petershagen 1945 durch alliierte Truppen. Gemeinschaftsarbeit der Ortsheimatpfleger und Kulturgemeinschaften der Stadt Petershagen. Petershagen 1977. (Zugleich: Mindener Geschichtsverein (Hrsg.): Sonderdruck aus den Mindener Mitteilungen. Jahresband Nr. 48, 1976). Quellen: Kleinebenne, Hermann: Kriegstage in Petershagen. Wie war das damals? Petershagen 1994.

Abb. oben: Der “Fünf-Finger-Weg”, auch “Stern” genannt, eine Kreuzung im Heisterholz, die in fünf umliegende Ortschaften führte und in der Nachkriegszeit durch die Anlage der Bundesstraße aufgehoben wurde, spielte am 5. April 1945 in mehrfacher Hinsicht die Rolle eines Scheideweges. Bildarchiv der Ortsheimatpflege (HC). (Red. Jac 2020)