Stadtrundgang Petershagen
Station 12 - Alte Synagoge
In der Zeit der Bischöfe auf dem Schloss Petershagen lassen sich die ersten jüdischen Familien bei uns nieder. Ihr Aufenthalt wird durch Geleitbriefe geregelt. Die heimatkundliche Überlieferung nennt korrespondierende Eintragungen von Schutzgeldern in den Jahren 1545 und 1570. Im Jahr 1680 halten sich acht Schutzgeld zahlende Juden in Petershagen auf. Die Quellen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nennen 85 Juden, darunter drei Krämer. Ein Chronikeintrag, der schon für das Jahr 1648 von einer Synagoge zu berichten weiß, konnte bislang nicht belegt werden.
Die heutige Synagoge ist ein traufständiges, vierachsiges Backstein-Gebäude, das einem Entwurf des Mindener Regierungsbaumeisters Wendt aus dem Jahr 1846 folgt. Ihre Einweihung erfolgte am 4. September 1848. Die Architektur des Gotteshaus lehnt sich aufgrund seiner Gestaltung an die Umgebung an. Der Backsteinbau ersetzt eine um 1842 baufällig gewordene Fachwerksynagoge, die nach der behördlichen Genehmigung 1796 in der Zeit darauf errichtet wurde und sich in die Lange Reihe der Häuser an der vormaligen Synagogenstraßeeinpasst.
Die südliche Backsteinfassade zeigt sich repräsentativ. Baumeister Wendt legte vier vertikale Lisenenfelder an, in die er zweieinhalb Meter hohe eiserne Sprossenfenster einfügte. Als gestalterische Elemente kommen horizontale Backsteinlagen in einem dunkleren Farbton sowie ein leicht antikisierender Zahnschnitt-Fries oberhalb der Fenster hinzu, der auch auf der Ostseite zur Gliederung der Geschossebenen und als Rautenfreis beim Oculus, dem östlichen Giebelfenst, dass hier ganz individuell nur an der Außenseite der Synagoge angedeutet, aber nicht als Fenster ausgeformt ist, zum Einsatz kommt.
Der sakrale Synagogensaal ist gemäß talmudischer Lehre durch zwei Türen zu betreten, wodurch eine Trennung von Außen- und Sakralwelt erzielt wird. Aus dem 18. Jahhundert stammen der imposante Sandsteinsockel, der nun auch den Nachfolgebau trägt, ebenso der Vorbau, bzw. die auch als Pallisch bezeichnete Vorhalle, mit der darin befindlichen Mikwe, dem Ritualbad. Im Inneren vermittelt die Ostseite des Bades einen nachhaltigen Eindruck von der Mächtigkeit der hier angelegten Sandsteinfundamente. Sie schuldet ihre Existenz der gelegentlichen Überflutung des Stadtquartiers durch Weser- und Ösperhochwasser in den vergangenen Jahrhunderten.
Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb das Gros der Eisensprossenfenster mit wenigen Teilen ornamental geätzten Weißglases und einigen Farbgläsern erhalten. Die Abnutzung des gefliesten Fußbodens verrät den gottesdienstlichen Gebrauch. Die Reste der ursprünglichen und späteren Bemalung konnten erhalten werden.
Die Synagoge wurde am Vormittag nach der Pogromnacht, am 10. November 1938, verwüstet und ihre Inneneinrichtung zerstört. Die nationalsozialistische Herrschaft führte den Untergang der jüdischen Gemeinde Petershagen herbei. In den Konzentrationslagern werden von den Deportierten alle bis auf zwei ermordet. Die wenigen Zurückkehrenden bilden keine neue Gemeinde in Petershagen mehr.
Erst 1988 gelingt es, die Synagoge unter Denkmalschutz zu stellen und in dem Zeitraum von 1999-2001 unter fachlicher Betreuung der Oberen Denkmalbehörde Münster zu renovieren.
Ein Fachausschuss übernimmt ab 1998, nachdem der Rat der Stadt Petershagen dem Kauf, der Sanierung und der Einrichtung der Synagoge als Dokumentations- und Informationsstätte zugestimmt hatte, die Umsetzung eines Nutzungskonzeptes, das von Diethard Aschoff, Johanna Kohn, Bernd-Wilhelm Linnemeier und Joachim Mugdan entworfen worden war.
Die Eröffnung der wiederhergestellten Synagoge erfolgte im Rahmen einer Veranstaltungsreihe am 27. November 2003 in Anwesenheit des Landesrabbiners Dr. Henry Brandt. In den Folgejahren konnte das Ensemble um den Pallisch mit der nun freigelegten Mikwe erweitert werden.
Das Synagogenensemble wird heute von zwei Vereinen, dem Trägerkreis ehemalige Synagoge Petershagen e.V. sowie der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen betreut.
Uwe Jacobsen (Ortsheimatpfleger)