1670 | Epitaph der Maria von der Marcke
Altstädter Epitaphien in der Petrikirche
In der Zeit des Bischofs Hermann von Schaumburg (1566-1582) wurden Schloss und Vorburg ausgebaut. Als am Dreikönigstag 1569 ein Feuer 160 Wohnhäuser vernichtete, stellte Hermann Finanzmittel zum Wiederaufbau der Stadt zur Verfügung. Auf seinen Rat hin siedelten einige Bürger vor dem Haller Tor, wo bereits Bischof Georg die Vorstadt, die so genannte Beutelei, angelegt hatte. Wir dürfen vermuten, dass zu ihnen der bischöfliche Kammersekretär Otto von der Mark gehörte, der sich vor allem auf dem Gebiet der Finanzverwaltung Verdienste erworben hatte. So belohnte ihn Bischof Hermann – wie in der Stadtchronik nachzulesen ist – 1573 mit „besonderen Gnadenbezeigungen”. Er verlieh seinem Haus, das vor dem Hallertor lag, die Burgmannsgerechtigkeiten.
(Umlaufendes Spruchband, optisch links oben beginnend, Seiten und Zeilen hier durch Striche getrennt)
ANO EINTAUSENT FUNFHUNDERT (unleserlich) | UM: SIBENTZIGSTN IAR
den Neunzehen | DEN Augusti ist die erbare junffer maria van der Marcke | verstarben und alhir begraben | derer Seelen der almechtiger
wolle gnedig sein : amen
Das Epitaph (1,00 x 0,55 x 0,22 m, Portaner Sandstein) zeigt Maria van der Marcke, die Tochter des Kammersekretärs in selbstbewusst-betender Haltung. Die Szene positioniert sie unter einem Torbogen mit toskanischer Säulenordnung, einer Variante der dorischen Säule, die zwar eine Basis, aber keine Kanneluren (Rillen) aufweist. Ein Steinkopfornament in der Ausprägung eines Wappenträgers zeigt dem Betrachter die elterlichen Familienwappen. Optisch links befindet sich das Wappen der Grafschaft Mark, ein aus drei silbernen und roten Schachreihen bestehender Querbalken, der märkische Schachbrettbalken, auf gelb-goldenem Grund. Das Marcke’sche Wappen ging nach dem Aussterben der Familie später im Wappen des Kurfürsten von Brandenburg auf, dem die Grafschaft Mark 1666 bei der Teilung der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg zufiel. Rechts das mütterliche Wappen mit einer symmetrischen Hausmarke: drei Sterne über horizontaler Sprosse, darunter Schragensprosse mit Oberkopfabstreben und Fußstreben. Der bischöfliche Sekretarius Otto von der Mark scheint also seine Ehefrau in einem der Petershäger Erbhöfe gefunden zu haben. Darauf deutet auch das beigefügte Attribut, vermutlich eine Ähre, hin.
Die kunstgeschichtliche Betrachtung des Steines lässt schnell deutlich werden, dass er – wie aus dem Lehrbuch – die stilistischen Eigenschaften der Renaissance in sich vereinigt, jener Epoche, die im Zuge eines umfassenden Kulturaustausches mit etwa 20-jähriger Verzögerung bei uns im Weserraum wirksam und unter dem Stichwort „Weserrenaissance“ bekannt geworden ist. Die klare Gliederung geht auf einfache Grundformen (Rundbogen, Portal, Gesims und Pilaster) zurück. Ihre Maßverhältnisse sind – wie die Teile eines Körpers – harmonisch und ausgewogen. Die Leitidee, den Menschen zum Maß aller Dinge zu machen, kommt in der detailliert ausgestalteten Frauenfigur zum Ausdruck. So können wir nun neben dem etwa zeitgleichen Bessel-Epitaph (1567) auf ein weiteres Kunstwerk aus dieser Epoche verweisen.
Es ist kein Zufall, dass gerade dieser Stein als einziger der Altstädter Epitaphien aus Portaner Sandstein angefertigt worden ist. Man transportierte ihn seit dem 16. Jahrhundert über die Weserhäfen Minden und Petershagen in die Region hinaus. Die physikalischen Eigenschaften des Portaner Steins eigneten sich in besonderer Weise für detailreiche Gestaltungen. Er wurde beim Bau des Schlosses, der Petrikirche und vieler anderer Baudenkmäler verwendet. Der Exportschlager Sandstein brachte zudem Steinmetzwerkstätten zu uns: 1572 bekam der aus Petershagen stammende Steinhauer Friedrich Meersmann das Bürgerrecht der Altstadt Hannover. Am Leineufer schuf er neben den Vorbauten des Alten Rathauses und der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fassade der Hahn‘schen Buchhandlung ein Epitaph für die Schwestern Rommel, das mit Ausnahme zweier Spruchbänder unserem Bessel‘schen Epitaph sehr ähnlich ist und sich in der Marktkirche von Hannover befindet. Ob es hier neben der zeitlichen Koinzidenz der Epitaphien auch einen künstlerischen Zusammenhang gibt, muss vorerst offen bleiben. (Text: Uwe Jacobsen 2010)