Stadtrundgang Petershagen

Station 23 - Grabenstraße

Bis 1934 – in diesem Jahre wurde das Wasserwerk am Neerenweg zur zentralen Wasserversorgung in Betrieb genommen – standen in den Straßen der Stadt etwa 17 Pumpen, die das täglich benötigte Trink- und Brauchwasser aus Brunnen zu Tage forderten. Von diesen etwa 17 Brunnen standen acht auf beiden Seiten der Hauptstraße. Die Bürger durften sich nicht von jeder beliebigen Entnahmestelle Wasser holen. Zu jeder Pumpe gehörte ein bestimmter Bezirk. Ein Pumpenverwalter musste darauf achten, dass kein Fremder der Pumpe Wasser entnahm. Der Pumpenverwalter mußte auch alle Schäden melden und anfallende Reparaturen vornehmen. Die Kosten dafür wurden auf alle Pumpenbenutzcr des bestimmten Bezirkes umgelegt und die Beträge an den zuständigen Pumpenvetwalter gezahlt. Wenn in den Trockenzeiten das Wasser im Brunnen knapp wurde, musste der Pumpenverwalter die Entnahme nur dreimal täglich zu festgelegten Zeiten ermöglichen. Um eine unbefugte Entnahme zu verhindern, nahm der Verwalter den Pumpenkolben heraus. Im Winter wurde die Pumpe mit einem “Strohkleid” umwickelt, damit sie nicht einfror. 

Pumpe im alten Petershagen. Zeichnung unbekannter Herkunft.

Beim Wasserholen karnen die Bewohner der Stadt ins Gespräch. Die Pumpe war damals die “Nachrichtenbörse”. Bäcker, Bauern, Gastwirte und Schlachter besaßen auf ihren Grundstücken meistens eine Ramm-Pumpe ohne Brunnen, manchmal aber auch mit einem Brunnen. Bei den Arbeiten im Hof des Hauses Hauptstraße 8 stießen 1989 die Arbeiter auf einen alten Ringbrunnen aus handbehauenem Sandstein. Dieser Brunnen wurde mit einer Sandsteinplatte abgedeckt und wird nach dem Willen des Eigentümers in den nächsten Jahren wieder zu sehen sein. Auch auf dem Schulhof stand eine Pumpe. An die Pumpe waren zwei Becher angekettet, aus denen die Mädchen und Jungen trinken konnten, ohne krank zu werden. Das Vieh tränkten die Bürger in der Weser oder Ösper.

Ortsheimatpflege Petershagen
Ein großer Verlust für Petershagen: Der ehemalige Hempell'sche Burgmannshof am südöstlichen Ende der Grabenstraße (1932). Blick nach Westen in den Innenhof, rechts die Pumpe. Der Gebäudekomplex wurde erst 1973 endgültig abgebrochen.

Der Hempell’sche Burgmannshof
Münzstätte des Bischofs Christian

Radtouristen, die aus Barkhausen, PoW, in Petershagen die Grabenstraße erreichen, hätten im 16. Jahrhundert die aus Barkhausen stammende Familie des Ritters von Barckhausen auf dem Mülbe’schen Hof, der Parzelle des heutigen Gemeindehauses der katholischen Kirche, treffen können. Bischof Christian (1599-1633) richtete im Hempell’schen Hof am südöstlichen Ende der Grabenstraße eine Münze ein, die vom Münzmeister Julius Bilderbeck von 1618-1620 geleitet wurde.

Bezug zur Petrikirche

Simon von Reinecke erwarb den Hempell’schen Burgmannshof von den Brüdern Claus und Ernst von Barckhausen und vererbte ihn an seine „Bastardkinder Reinecke und Evert von Wendt“. 1565 erscheinen sie unter den Spendern zum Kirchenneubau der Petrikirche.

Sitz des Kanzlers aus Minden

Der Kanzler des Fürstentums Minden, Kaspar Klocke, kam 1627 nach Petershagen und übernahm den Hempell’schen Hof. Nachdem das Fürstentum Minden evangelisch wurde, floh der Kanzler nach Bremen.

Besitzer mit kaiserlichem Namen

Der Droste vom Reineberg, Johann Daniel Becker, dessen Großvater schon Kanzler des Fürstbistums Minden war. 1666 wurde er von Kaiser Leopold geadelt und führte den Namen von Becquer. Durch Heirat mit Auguste Brandi kam er auf den Hempell’schen Hof.

Umbau zur Tabakfabrik

Der Tabakfabrikant Ernst Konrad Iffland aus Versmold erwarb nach 1798 den Hempellschen Hof und verlegte seine Fabrik nach Petershagen. Für die Inbetriebnahme der ersten Tabakfabrik in Petershagen musste er 5500 Taler an Renovierungskosten aufbringen. Als 1810 Petershagen vom Königreich Westfalen an das Kaiserreich Frankreich fiel, musste Iffland seine Produktion einstellen, weil die Herstellung und der Vertrieb von Tabak zum Monopol des Staates wurde.

Wandel zu einer Ledergerberei

Nach einigen Vorbesitzern übernahm der Lederfabrikant August Wilhelm Hempell von seinen Brüdern den Hempellschen Hof und richtete dort eine Ledergerberei ein.

Wohnung eines Mediziners

Zuletzt bewohnte der Arzt Dr. med. Hempell den Hof, aber die Wiederherstellung des Hauses war nicht finanzierbar. Heute erinnert die Mauer an der Grabenstraße auch an diesen Burgmannshof. Eine Tafel könnte dort angebracht werden

Textbausteine von Sabine Lewin und Bernhard Brey.
Quelle: Großmann, Karl: Die Burgmannshöfe und Freien Häuser von Petershagen (1937). Brey, Bernhard: Geschichte und Geschichten aus Petershagen. Petershagen 1989.

Der sogenannte Mülbe'sche Burgmannshof am nördlichen Ende der Grabenstraße, Vorgängerbau des heutigen Gemeindehauses.
Der sogenannte Mülbe'sche Burgmannshof am nördlichen Ende der Grabenstraße, Vorgängerbau des heutigen Gemeindehauses.

Station 23 - Grabenstraße