Nr. 289 | Der Vethakesche Burgmannshof

Dr. Karl Großmann (1896-1981)

Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen
Stadtarchiv Petershagen | Typoskript 1937

Die freien Häuser der Geistlichen
Der Schmidtsche oder Vethackesche Hof

Im Jahre 1665 baute sich der Superintendent und erste Pfarrer von Petershagen Julius Schmidt ein neues Wohnhaus auf eigene Kosten auf den Gelände westlich der Neustadt, da, wo heute das Internatsgebäude des früheren Lehrerseminars steht. Außerdem gehörte ihm noch die Deichmühle, die er 1661 von Beata von Hollwehden, der Gemahlin des verstorbenen Vizekanzlers Johann Georg Deichmann, erworben hatte, und dazu 30 Morgen Land.

Dieser Besitz allein genügte Schmidt jedoch nicht. Die Steuerfreiheit und die Freiheit von andern bürgerlichen Lasten standen ihm zwar als Geistlichem zu. Er wollte aber diese Rechte auch seinen Erben für die Zukunft sichern und strebte daher nach den Burgmannsgerechtigkeiten, die ihm schließlich auch am 20. März 1671 durch das Domkapitel von Minden verliehen wurden unter Zustimmung der Landstände und der brandenburgischen Regierung.

Nach seinem Tode im Jahre 1680 ging der Hof in den Besitz des ältesten Sohnes Gustav Daniel über, der zunächst als Theologe in Hannover Hofmeister geworden war. Er ging später in den diplomatischen Dienst über, wurde Gesandter und erhielt schließlich den Adelstitel. Um 1700 kehrt er nach Petershagen als Hofrat zurück und starb dort im Jahre 1720.

Sein einziger Sohn Karl von Schmidt, der ebenfalls den gleichen Titel führte, starb schon in Jahre 1727 wahrscheinlich durch Selbstmord. Er hat den Hof ziemlich herunter gewirtschaftet. Seine Witwe heiratete den Zollverwalter Bode. Ein Sohn aus der ersten Ehe namens Johann Gotthold, der als Erbe eigentlich in Betracht kam, hat Petershagen verlassen und blieb verschollen. 

Schließlich musste der Hof verkauft werden. Besitzer wurde der Amtmann Johann Vethake, der im Jahre 1716 als Sohn des Pfarrers Vethake in Petershagen geboren war. Vethake hatte 1740 das Amt Petershagen, d.h. die Einkünfte des Amtes gepachtet zusammen mit dem Amtmann Gade. Später beschränkte er sich auf einen Teil und übernahm nur noch die Gerichtsbarkeit. Dadurch wurde doll Vethakesche Hof Sitz eines Patrimonialgerichtes für das alte Amt Petershagen. Die Reineinnahmen daraus, die dem Pächter zuflossen, wurden auf jährlich 1000 Taler geschätzt.

Der Hof bestand damals aus einem Wohnhaus mit einer Reihe von Nebengebäuden; der Grundbesitz ist ungefähr der der Aufbauschule, doch Im Osten begrenzt durch die Kastanienreihe und ihre Verlängerung bis zur Oesper. Da auf dem vorderen Teil das Schulhofes früher 4 Häuser standen, führte nur die schmale Fahrstrasse an dem Königschen Grundstück vorbei zu dem Hofe; es war also ähnlich den Verhältnissen bei Hempells Hofe.

Auch Vethake fand unter seinen Söhnen nicht den geeigneten Nachfolger. Zwei starben vor ihm, und einer wanderte aus nach Amerika. Und als ein Enkel, der in den Befreiungskriegen als Kriegskommissar tätig gewesen war, das Erbe antreten wollte, da war es entwertet. Denn die Franzosen hatten nicht nur die Burgmannsgerechtigkeiten aufgehoben, sondern auch der Patrimonialgerichtsbarkeit ein Ende bereitet. Die Mutter wurde zwar mit einer Rente in Höhe von 324 Talern abgefunden, die auch der Preußische Staat weiterzahlte. Aber damit konnte der Hof nicht gehalten werden. Er verfiel immer mehr, zumal die Erben nicht in Petershagen wohnten, und wurde 1818 abgebrochen. 

Auf Grund wiederholter Eingaben an den König gelang es der Familie Vethake, die alten Rechte wieder zu bekommen. Kaum war die Zustimmung des Königs da, da ging man auch schon daran, den Hof wieder neu aufzubauen. Verwendung fanden dabei die langen Eichenbalken vom „Reisigen Stall“ beim Schlosse, der damals gerade abgerissen wurde. 1827 war der Bau fertig, 7 – 8000 Taler hatte er gekostet. Der neue Besitzer Georg Albrecht Vethake starb 1841. Sieben Jahre später fegte die Revolution die Patrimonialgerichtsbarkeit und zwar diesmal für immer weg. Der Hypothekenbelastete Hof konnte auch diesmal nicht gehalten werden; schon war die Zwangsversteigerung beantragt.

Da übernahm ihn der Preußische Staat für 9300 Taler für das 1831 gegründete Lehrerseminar. Es wurden Lehrerwohnungen und Klassenräume eingerichtet, sowohl im Hauptgebäude wie auch in dem kleinen Nebengebäude an der südwestlichen Ecke. Später wurde noch ein Stockwerk aufgesetzt, sodass nach Neubau des Seminars im Jahre 1885 60 Seminaristen und ein Lehrer Wohnung im Vethakeschen Hofe finden konnten. 

Nach Auflösung des Seminars im Jahre 1925 dienten Teile der Räume als Jugendherberge, bis 1933 der Arbeitsdienst seinen Einzug hielt. Er ist 1937 durch weiblichen Arbeitsdienst ersetzt worden. Für diese Zwecke sind noch wesentliche Um- und Anbauten erfolgt, so dass der alte Vethakische Hof, der schon dem Abbruche nahe stand, noch lange Zeit der deutschen Jugend eine gute Heimstätte bieten kann.

(Quellen: Stadtarchiv Petershagen, Nachlass Großmann, Typoskript 1937, Die Orthographie folgt dem Original. Großmann, Karl: Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen. In: Mindener Jahrbuch Bd. 9 (1937/38), S. 161-182. Monumenta germaniae historica URL: https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a144197.pdf)

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Abb. oben: Dr. Karl Großmann: Zeichnung. Lageplan. Die Burgmannshöfe und freien Häuser in Petershagen (1937). 

Von Links: Internat (ehemaliger Vethakescher Burgmannshof), Lehrerseminar und Pavillon (1930er-Jahre).

Das Internat in der Gebäudefassung von 1960-1976.