1673 | Bessel'scher stein am Neustädter Burgmannshof

EIN HANDWERKLICHES DOKUMENT

Bei dem Stein, der sich heute im Gästehaus befindet, handelt es sich um die handwerkliche Arbeit eines heimischen Steinmetzen, der sich mit der Anfertigung von Grabplatten und ihrer Ausschmückung mit Wappen und Inschriften befasst hat.

IN DER ÖSPERMAUER

Der Bessel´sche Hof in der Neustadt lag auf einem Gelände neben der Ösper, einem Bach, der bis 1968 durch Petershagen floss. 1673 ließen Christian Georg von Bessel und seine Gemahlin Anne Margarete Graffn diesen Stein anfertigen und in die Mauer einsetzen. Zur Erinnerung versahen sie den Stein mit der Inschrift:

„HABEN DIESE KOSTBARE MAURE IHREN NACHKOMMEN ZUM BESTEN VOM GRUNDE AUF NEU AUFFÜHREN UND AUFSETZEN LASSEN!“

Dieser Burgmannshof hatte infolge seiner zentralen Lage in der Nähe des Schlosses Petershagen einen besonderen Stellenwert für die Durchführung von Verwaltungsaufgaben für das Fürstbistum und nachfolgende Fürstentum Minden.

Der Stein hat fast 250 Jahre seinen Platz in der Öspermauer gehabt. Es ist deshalb natürlich, dass er Verwitterungsspuren aufweist. Trotzdem ist der Stein auch in der jetzigen Gestalt als Geschichtsdokument des Petershäger Besselzweiges aussagekräftig.

Der Bessel´sche Burgmannshof an der Ösper wurde im Jahr 1918 von dem damaligen Besitzer Rehling abgebrochen.

AUF DEM HELDENHAIN

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Stein auf dem sogenannten Heldenhain, einer Gedenkstätte für die Gefallenen beider Weltkriege, aufgestellt. Dieses Gelände gegenüber dem Bessel´schen Hof war früher der Altstädter Friedhof, auf dem sich bis 1819 die Kreuzkirche befand. Im Jahr 1803 errichtete August von Bessel (1737-1803) hier ein Mausoleum für seine Familie. Die Totenhalle wurde 1921 abgebrochen.

Der zweite Bessel´sche Burgmannshof in der Neustadt zu Petershagen. Die Öspermauer enthielt den Gedenkstein.
Der Bessel'sche Stein während der Installation im Jugengästehaus.
Freitreppe des Bessel'schen Hofes (2009)
Beschriftung des Bessel'schen Gedenksteins. Plakat 2009 Uwe Jacobsen.

IM BESSEL´SCHEN HOF

Der Bessel‘sche Hof in der Altstadt wurde im Jahr 1765 als Neubau im Barockstil errichtet. Er ersetzte den im Jahr 1563 erstellten Vorgängerbau, der 1573 durch Kauf in den Besitz der Familie von Bessel gelangte. Das Gebäude hat im Laufe der Zeit erhebliche Umnutzungen erfahren müssen.

Anlässlich des Umbaus zu einem Jugend-, Tagungs- und Gästehaus wurde der Stein im Jahr 2010 in die erhaltene, massiv gemauerte Mittelwand des ehemaligen Barockpalais eingelassen, das seit 2002 denkmalgeschützt ist.

Dieser Stein hält die Erinnerung an die bedeutende Adelsfamilie von Bessel wach, die von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Fürstbischöfen von Minden, den Kurfürsten von Brandenburg und den Königen von Preußen hohe Regierungsbeamte gestellt hat: Kanzler, Räte und Direktoren von Kriegs- und Domänenkammern.

Sie alle haben mit ihren Familien auf diesem Hof, seinem Vorgängerbau und dem zweiten Bessel´schen Hof in der Petershäger Neustadt gelebt und gearbeitet.

Leopold Christoph von Bessel, letzter männlicher Nachkomme der Familie. Siegelmarke mit "aufspringendem Hirsch". Sammlung Uwe Jacobsen.

BESCHREIBUNG DER WAPPEN

Von den beiden Wappen zeigt das Bessel´sche links im Schild und auf dem Helm einen an den Laubbaum springenden Hirsch mit beringtem Halsband.

Das Wappen der Anna Margarete Graffn rechts weist im Schild einen schreitenden und als Helmzier einen wachsenden Vogel auf.

Am Gedenkstein ist der Helm schon so verwittert, dass sich heute die genaue Form nicht mehr feststellen lässt. Der Kragen fehlt bereits völlig. Da jedoch die Decken genau mit denen des Frauenwappens übereinstimmen, ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass auch die Helmform die gleiche, nämlich die eines Bügelhelms mit fünf Bügeln war. Die Decken sind noch im Renaissance-Geschmack gearbeitet. Über dem Helm liegt ein wulstartiges Tuch. Durch die Verwitterung sieht dieses im Besselwappen wie eine Perlenkrone aus.

Uwe Jacobsen (2009)

Das Wappen der Familie von Bessel mit "aufspringendem Hirsch". Epitaph in der Petrikirche.