1567 | Epitaph des Engelbart von Bessel und der Johanna von Schaumburg
Die Gestaltung der eher seltenen vorbarocken Epitaphien orientierte sich am Vorbild der spätmittelalterlichen Steinmetzkunst, wie sie uns heute in den aufwendig gearbeiteten Grabplatten jener Zeit entgegentritt. Mit dem Erstarken des städtischen Bürgertums und des Adels ging ein wachsendes Repräsentationsbedürfnis einher, das sich im Bereich der Steinmetzkunst in detailliert gearbeiteten Reliefs der Verstorbenen manifestierte. So stellt das Renaissance-Epitaph des Engelbart von Bessel († 1567) und seiner Gemahlin, Johanna von Schaumburg († 1599), ein Kunstdenkmal von außerordentlichem Rang dar. Ludorff verzeichnete es 1902 wie folgt: „Epitaph, Renaissance, von Stein, mit Kreuz, Donatoren, Wappen und Inschriften von 1567 und 1599; 2,20 m hoch, 1,25 breit.“
In der Petrikirche und ihren Vorgängerbauten gab es eine größere Anzahl von Erbbegräbnissen, an die heute unter anderem das Epitaph für den fürstbischöflichen Kammerrat und Oberamtmann auf dem Schloss Petershagen, Engelbart von Bessel und seiner Gemahlin, erinnert. Das Epitaph zeigt den vor dem Kreuz knieenden Engelbart von Bessel mit seiner Ehefrau Johanna von Schaumburg. Es wurde ursprünglich oberhalb des Grabes der Eheleute errichtet, wo es sich auch heute nach dem Umbau der Jahre 1968 bis 1971 wieder befindet, errichtet. Dort befand sich der älteren Kirchenchronik des Julius Schmidt zufolge eine Totenkammer, die bis unter den Altar reichte. Hier wurden im Laufe der Jahrhunderte Personen aus den höheren Gesellschaftsschichten, etwa Kanzler der bischöflichen Regierung, Droste, höhere Regierungsbeamte, Pfarrer und Offiziere beigesetzt. 1672 erkundigte sich der damalige Superintendent Julius Schmidt bei seinem Kollegen und den ältesten Altarleuten nach bekannten Erbbegräbnissen. Die von ihm aufgesetzte Liste nennt Engelbart und Johanna an 26. und 27. Stelle. Zugleich handelt es sich um die beiden letzten Einträge in dieser Aufstellung. Wenn ihnen die Anmerkung „unter den Ratsstühlen“ beigefügt ist, so dürfen wir daraus schließen, dass Engelbart und Johanna unterhalb des Kirchenstuhls der Familie von Bessel beigesetzt wurden. Die Sockelinschrift ist noch in mittelniederdeutscher Sprache (Majuskeltext) verfasst. Ihr wird hier die hochdeutsche Übersetzung vorangestellt:
Im Jahre 1567, den März, starb der edle Herr Engelbart von Bessel, bischöflich mindenscher Kammerrat und Oberamtmann, Erbsasse zu Petershagen.
AO 1567. D. 4. MARTII:
STARF DE EDLE HER
ENGELBART V. BESSEL.
BISCHOPLIK MINDISCHE
CAMERRATH UND
AVERAMPTMAN
ARFSATE TO
PETERSHAGEN
Im Jahre 1599, den November, starb die edle und tugendsame Frau Johanna von Schaumburg, des seligen Engelbart Bessel nachgelassene Witwe, der Gott gnädig sein möge.
ANNO 1599 DE
NOVEMB: STARF
DE EDL: UN DOGET-
SAM FROWE JOHAN VAN SCHAVWEB.
S: ENGELBART BESSEL NAGELATE WEDEWE DER GOD GNAD:
Friedrich Meersmann († 1584)
Vermutlich handelte es sich bei dem Künstler, der das Epitaph schuf, um Friedrich Meersmann aus Petershagen. 1572 wurde er Bürger der Altstadt Hannover. Hier schuf er, neben den Vorbauten des Alten Rathauses, ein Epitaph für die Schwestern Rommel, das dem Epitaph des Engelbart sehr ähnlich ist, so dass man von der Vermutung ausgehen kann, dass beide von demselben Künstler stammen. Die Inschrift für Johanna ist nachträglich eingesetzt worden, da sie, abweichend von der linken Seite, in Schrägschrift gehalten ist.
Engelbart von Bessel († 1567)
Der Mindener Kammerrat und Oberamtmann Engelbart von Bessel († 1567) stammte aus dem Raum Hannover. Er war vor allem während der Administratorenzeit des Bischofs Georg von Braunschweig-Lüneburg (1554-566) auf Schloss Petershagen für das Fürstbistum Minden tätig. Der erste Quellenbeleg Engelbart von Bessels stammt aus dem Jahr 1553, als er eine Spende in Höhe von 6 Talern für den Wiederaufbau der in einer Fehde abgebrannten Petrikirche gab.
Die Quellen schweigen darüber, ob Engelbart von Bessel bereits zuvor in den Diensten Franz II. von Waldecks gestanden hat. Dieser Bischof wurde dadurch bekannt, dass er 1535 mit seinen Truppen und Verbündeten nach sechzehn Monate langer Belagerung das von den Wiedertäufern verteidigte Münster einnahm. Engelbart von Bessel erlebte seinen Dienstsitz, das Schloss Petershagen, in der Pracht, wie sie der Baumeister Jörg Unkair in einer Umgestaltung der ursprünglichen Burg in den Jahren 1545-1547 im Stil der Weserrenaissance schuf. Der Kern des heutigen Schlosses wurde 1306 als „castrum to dem Petershag“ von Gottfried von Waldeck erbaut, der seinen Bischofssitz aus Minden an die hier befindliche Weserfurt verlegte. Nach dem ersten Umbau durch Jörg Unkair errichtete Bischof Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel 1560 nördlich des Hauptschlosses das zweite massive Gebäude, das so genannte „Neue Haus“. Das heute noch vorhandene Nebengebäude bestimmte Bischof Georg in seiner östlichen Hälfte zur Burgkapelle, in seiner westlichen Hälfte zum Rittersaal.
Engelbarts Gemahlin, Johanna von Schaumburg,heiratete nach Engelbarts Tod Albertus Kocke, der Oberamtmann im Erzbistum Bremen war. Von dem Petershäger Drosten und Schlosshauptmann Christoph Grambart erwarben Albertus Kocke und Johanna im Jahr 1573 einen Burgmannshof, den Grambart erst 10 Jahre zuvor „auf einem Platze zu Ende der Alten Stadt zu Weser Seiten“ am ehemaligen „Altstädter Tor“ mit der Erlaubnis von Bischof Georg errichtet hatte. Der Bischof stattete dieses Haus mit Burgmannsgerechtigkeiten aus. Johanna vererbte es an ihren Sohn Johann von Bessel, der aus ihrer ersten Ehe mit Engelbart von Bessel stammte. (Text: Uwe Jacobsen 2010)
Literatur
Bremme, Rüdiger: Graf Johann von Holstein-Schaumburg, seine Frauen und seine Kinder (1512-1599). Sonderdruck. Münster: Aschendorff 2004 (= Beiträge zur Westfälischen Familienforschung 2004. Herausgegeben im Auftrag der Westfälischen Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung von Jörg Wunschhofer, Bd. 62)
Bessel, Leopold: Stammtafel des Geschlechts von Bessel zusammengestellt von Leopold von Bessel. Görlitz: Gedruckt bei C.A. Starke, Hoflieferant Sr. Ma. des Kaisers und Königs, 1913
Jacobsen, Uwe: Die Spur der Steine. Ein Beitrag zur Aufstellung der Altstädter Epitaphien in der Petrikirche von Petershagen. In: Heimatblätter. Mitteilungen des Vereins der Ortsheimatpflege Petershagen. Petershagen 2011.
Ludorff, Albert: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Minden (Band 11). Bearbeitet von Albert Ludorff. Mit geschichtl. Einleitung von Dr. Wurm. Mit 2 Karten und 442 Abb. auf 72 Lichtdrucktafeln, 6 Clichetafeln und im Text. Münster, Schöningh, 1902. 134 S. und 78 Tafeln. Kl.-Folio.
Jugendherberge Petershagen, Mindener Straße 51, 32469 Petershagen. Dauerausstellung im Foyer zur Geschichte des Bessel’schen Burgmannshofes und der Familie Bessel. Konzipiert im Jahr 2010 vom Unteren Denkmalamt der Stadt Petershagen und der Ortsheimatpflege Petershagen: Ingrid Henke (Denkmalamt Petershagen), Uwe Jacobsen (Ortsheimatpfleger Petershagen), Willi Seele (Denkmalbeauftragter der Stadt Petershagen)
Auch heute noch ein Hingucker:
Das Bessel-Epitaph in postmoderner Beleuchtung (2018)